Die Dorfkirche und die Welle

Wo das Herz von Alt-Tempelhof schlägt – 20 Jahre Gedenkstein zum Gedenken an die Tsunami-Opfer

Ganz Berlin ist ein Dorf. So kommt es einem manchmal vor. Und in Alt-Tempelhof steht sogar noch ausdrücklich eine Dorfkirche. Mit ihrem Bezug zum Wasser hat sie gleich zwei Besonderheiten aufzuweisen: Die beiden Teiche in einer parkähnlichen Umgebung haben etwas mit der besonderen Geschichte des Gotteshauses zu tun. Dazu später mehr. Der wellenförmige Gedenkstein auf dem Kirchhof aber feiert in diesem Frühjahr sein 20.Jubiläum. Von Feiern kann nicht die Rede sein, denn er hat einen traurigen Anlass: 2004 verursachte ein Erdbeben unter dem Indischen Ozean einen gewaltigen Tsunami in der Region, der fast 230.000 Menschen aus dem Leben riss, darunter über 500 Deutsche, von denen 36 Berliner und 10 Brandenburger waren. Ohne den damaligen Pfarrer Jörg Kluge wäre der Stein nicht aufgestellt worden. Als Notfallseelsorger stand er an der Seite der Hinterbliebenen. Auf seine Initiative hin gründete sich eine Betroffenengruppe, die bis 2008 tätig war. Die brutale Welle, die die Angehörigen weggespült hatte, wurde hier in Form eines Sandsteins gebändigt und bietet einen Ort der Trauer. Jahr für Jahr pilgern die Hinterbliebenen aus Berlin und Brandenburg zur Dorfkirche.

Kluge war nicht nur Pfarrer

Zuletzt, so Heike Lewin vom Gemeindebüro der Evangelischen Kirchengemeinde, sind es merklich weniger geworden. Die Zeit nimmt auch die Hinterbliebenen zu sich. Vor 3 Jahren verstarb der rührige Pfarrer, der bei der Einweihung des Gedenksteins 2005 verlautbaren ließ, dass die Menschen so lange leben, wie man sich ihrer erinnert. Jörg Kluge war nicht nur Pfarrer – zur Zeit der Katastrophe eben in Tempelhof: Der 1952 geborene Kluge war als einer der jüngsten Berliner Pfarrer 1977 in Amt und Würden gekommen und 1995 Mitgründer eines Notfallseelsorgerteams, das seinen ersten großen Einsatz beim Absturz der Birginair-Maschine 1996 hatte, als 189 Menschen vor der Dominikanischen Republik starben, darunter 167 Deutsche. Die Angehörigen, die verzweifelt am Flughafen Berlin-Schönefeld warteten, wurden unter anderem durch Pfarrer Kluge begleitet. Kluge war darüber hinaus in der Freiwilligen Feuerwehr in Berlin-Marienfelde aktiv, als evangelischer Feuerwehrseelsorger der Berliner Feuerwehr tätig und Berliner Rettungsschwimmer in Heckeshorn am Berliner Wannsee. Mit dem Tsunami-Gedenkstein bleibt auch eine Spur dieses bemerkenswerten Menschen zurück, den viele gekannt und geschätzt haben, der ein Vorbild war.

Das Geheimnis der zwei Teiche

Wir wollten noch verraten, wieso es rund um die Kirche zwei Teiche gibt. Die Dorfkirche von Tempelhof ist einer der ältesten Gotteshäuser der Hauptstadt. An ihrer Bauweise erkennt man schnell, aus welcher Epoche sie stammt: Die vielen Feldsteinfindlinge deuten auf das 13.Jahrhundert hin. Die Kirche gehörte einst zur Komturei, die von Wehranlagen umgeben war, zu denen die beiden Teiche gehörten. Als Komturei wird eine Niederlassung von Ordensrittern bezeichnet. Der Ortsname Tempelhof deutet auf die Ursprünge hin, als die Templer sich an eben dieser Stelle sich niederließen. Der burgartige Komturhof in Tempelhof, in dessen Mitte die Komtureikirche stand, die zugleich als Dorfkirche diente, ist heute noch zu erahnen. Wenn wir heute durch den Park an der Dorfkirche spazieren gehen, wie es viele Tempelhofer gerne tun, die diese kleine grüne Lunge besuchen, dann wandeln wir auf historischen Spuren genau im Herzen von Tempelhof, wo alles begann, was heute ist. (jeke)