Geplantes Jugendhaus zieht Zorn auf sich

Janine Schmitt und Frank Luhmann informieren sich im Rathaus Schöneberg über das geplante Haus der Jugend. Foto: Mareike Hartwig

Jugend braucht Räume, aber auch Führung!

Geplantes Jugendhaus zieht Zorn auf sich

In Tempelhof-Schöneberg soll ein neues Haus der Jugend entstehen – ein offener Ort für unterschiedliche Angebotsformen der Jugendarbeit und Jugendkultur. Vorgesehen sind barrierefreie Räume für Veranstaltungen, Beratung, Kreativangebote, Proben und Begegnung. Auf rund 700 Quadratmetern Nutzfläche sind Seminar- und Veranstaltungsräume, Büros, Beratungsräume, eine kleine Bibliothek, Proberäume sowie eine Werkstatt vorgesehen. So weit, so gut. Die Adresse: der Werner-Voß-Damm 47, in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof Südkreuz und angrenzend an die Gartenstadt Neu-Tempelhof. Die ersten Nutzer sollen die selbstverwalteten Jugendkollektive Drugstore und Potse sowie ein weiterer Träger sein.

Janine Schmitt – Beauftragte für Jugend-, Familie-, Schul- und Bildungspolitik, arbeitet im Büro des Bundestagsabgeordneten Jan-Marco Luczak, und Mitglied des Abgeordnetenhauses, Frank Luhmann sind zugegen und hören sich an, was Oliver Schworck, Bezirksstadtrat für Jugend und Gesundheit, auf der Infoveranstaltung zu berichten hat: „Jugend braucht Räume – nicht nur zum Dasein, sondern zum Selbermachen. […] Das ist ein klares Signal für gelebte Jugendkultur und Beteiligung. Für mich ist das ein echtes Herzensprojekt.“

Brandbrief an den Regierenden Bürgermeister

Unter den Anwesenden sehen das nicht alle so. So hat sich bereits eine Anwohner-Initiative gegründet und einen Brandbrief an den Regierenden Bürgermeister verfasst, darin bemängeln die Bürger aus dem Kiez, mangelnde Bürgerbeteiligung und Intransparenz des Planungsverfahrens, vor allem weil sich die Bezirksverordnetenversammlung im September 2023 auf einen anderen Standort am Sachsendamm bezog.  

Die Gartenstadt Neu-Tempelhof sei seit Jahrzehnten durch eine geringe Lärmvorbelastung gekennzeichnet. Der vorhabenbedingte Lärmpegel der geplanten Konzertnutzung würde die zulässigen Immissionsrichtwerte für ein Misch- oder gar reines Wohngebiet signifikant überschreiten.

Frank Luhmann begrüßt grundsätzlich jedes Engagement, das Jugendlichen Perspektiven und Räume bietet: „So ein Projekt kann aber nur dann gelingen, wenn es nicht gegen, sondern mit der Nachbarschaft geplant wird!“

Konflikte mit der öffentlichen Ordnung

Besonders kritisch sieht Luhmann die Nutzer Potse und Drugstore. Beide hätten in der Vergangenheit wiederholt für Konflikte mit der öffentlichen Ordnung gesorgt. In deren Grundverständnis sollen Jugendlichen das Objekt allein verwalten – rund um die Uhr! Nichts gegen die Jugend, aber sie einfach sich allein zu überlassen, statt Hilfestellung zu leisten, das kann doch nicht sein. Wenn dann noch zwei Träger in einem Objekt sitzen, die zurzeit räumlich getrennt agieren, muss das nicht gut ausgehen. Zudem liegt der jetzt geplante Standort mitten in einem Wohngebiet und direkt an einer Kleingarten-Kolonie, die schon jetzt oft nachts mit Vandalismus zu kämpfen hat.
Aktuell finden die vorbereitenden Maßnahmen wie Baugrunduntersuchungen und Leitungserkundungen statt. Noch ist es ein weiter Weg zum Projekterfolg und Kiezfrieden.

Hier der Brandbrief im Wortlaut, versendet am 10.11.2025:

Sehr geehrter Herr Wegner,

die Unterzeichnenden, eine Initiativgruppe von Anwohnerinnen und Anwohnern des Werner-Voß-Damms und dessen unmittelbarer Umgebung, wenden sich mit diesem Schreiben an Sie,

um nachdrücklich und fristwahrend formellen Protest gegen die beabsichtigte Errichtung und Nutzung eines „Hauses der Jugend“ am oben genannten Standort zu erheben.

I. Mangelnde Bürgerbeteiligung und Intransparenz des Planungsverfahrens

Es wird mit Bedauern festgestellt, dass das Bezirksamt in dieser Angelegenheit bereits vollendete Tatsachen geschaffen hat, ohne die betroffenen Eigentümer und Anlieger

in einer den Grundsätzen des rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens entsprechenden Weise in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.

Die Zustimmung zur „Machbarkeitsstudie Haus der Jugend“ durch die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 20.09.2023 bezog sich initial auf den Standort Sachsendamm 87-89 / Ella-Barowsky-Straße. Unter anderem aufgrund befürchteter Konflikte wegen Lärm mit anderen Nutzern erfolgte die Standortverlagerung auf den Werner-Voß-Damm 47.

Diese Standortverlagerung ohne vorherige transparente Information und Beteiligung der Anwohnerschaft stellt ein erhebliches Verfahrensdefizit dar.

Überdies ist aus der Anfrage vom 09.10.2023 der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke ersichtlich, dass nach der ursprünglichen Beschlussfassung eine Umstrukturierung der Nutzungskonzeption vorgenommen wurde. Die beabsichtigte Auslagerung von „lauten“ Nutzungen (insbesondere Konzerte der Kollektive „Potse“ und „Drugstore“) in das Wohngebiet am Werner-Voß-Damm, während die „leisen“ Nutzungen am Sachsendamm verbleiben, ist sachlich nicht nachvollziehbar und wird von uns entschieden zurückgewiesen.

II. Fehlklassifikation des Standortes und unzureichende Konfliktanalyse

Die in der Planungsbegründung vorgenommene Klassifizierung der Umgebung als reines Gewerbegebiet ist unzutreffend. Der Standort liegt unzweifelhaft in einem Wohngebiet angrenzend an ein Mischgebiet, in dem die Koexistenz von Wohnnutzung und nicht wesentlich störendem Gewerbe seit Jahrzehnten gegeben ist.

Diese Fehlannahme führt zu einer unzulässigen Verharmlosung der zu erwartenden Immissionsbelastungen.

Besonders gravierend ist die Tatsache, dass das Bezirksamt selbst in der Protokollierung vom 11.12.2024 potentielle Konflikte zwischen Anwohnerschaft rund um den Werner Voss Damm und zukünftigen Nutzern des „Hauses der Jugend“ aufgrund der Lärmimmissionen nicht ausschließt.

Diese Haltung indiziert eine vorhersehbare Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme und stellt eine unverantwortliche Gefährdung des sozialen Friedens sowie der Wohnqualität dar.

III. Ungeeignetheit des Standortes und Verletzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften

Der ausgewählte Standort ist unter städtebaulichen, planungsrechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Gesichtspunkten als unzumutbar und ungeeignet zu qualifizieren.

Die beabsichtigte Durchführung regelmäßiger, lärmintensiver Veranstaltungen (Bandproben und Punkrockkonzerte) führt zu einer erheblichen und dauerhaften Lärmbelastung. Unter anderem durch Zu- und Abstrom zu Konzerten und verweilende Besucher vor dem Gebäude.

Immissionsschutzrechtliche Bedenken (TA Lärm): Die Gartenstadt Neu-Tempelhof ist seit Jahrzehnten durch eine geringe Lärmvorbelastung gekennzeichnet. Der vorhabenbedingte Lärmpegel der geplanten Konzertnutzung der Jugendkollektive „Potse“ und „Drugstore“ wird die zulässigen Immissionsrichtwerte für ein Misch- oder gar reines Wohngebiet signifikant überschreiten. Dies verletzt das schutzwürdige Interesse der Anwohnerschaft an der Erhaltung der Wohnruhe.

Verletzung des Rücksichtnahmegebots (§ 15 Abs. 1 BauNVO i.V.m. BauGB): Die Nutzung mit regelmäßigen, lauten Konzerten in einem faktischen Wohngebiet verstößt evident gegen das in der Bauleitplanung verankerte Rücksichtnahmegebot. Eine derartige Lärmquelle ist in einem schutzbedürftigen Umfeld unzulässig.

Es wird darauf hingewiesen, dass zumutbare alternative Standorte in lärmverträglicheren Zonen existieren.

Hohes Klage- und Schadensersatzrisiko: Aufgrund der festgestellten Verfahrensmängel und der materiell-rechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens am gewählten Standort wird das Risiko verwaltungsgerichtlicher Anfechtungsklagen und Schadensersatzforderungen als extrem hoch eingeschätzt.

IV. Forderungen und Rechtsschrittandrohung

Wir fordern die zuständigen Stellen hiermit nachdrücklich und unverzüglich auf:

-Sofortige Aussetzung der weiteren Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Standort Werner-Voß-Damm 47

-Neubewertung und verbindliche Festlegung eines lärmverträglichen alternativen Standortes, der den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen Rechnung trägt

-Durchführung einer rechtzeitigen und umfassenden Bürgerbeteiligung gemäß § 3 BauGB vor jeglicher weiterer Beschlussfassung

-Vollständige Dokumentation der gesamten Standortsuche und der Kriterien, die zur Entscheidung für den jetzigen geplanten Standort geführt haben

Wir weisen darauf hin, dass die Durchführung dieses Projekts in der vorliegenden Form einen unmittelbaren Angriff auf die verfassungsrechtlich geschützte Lebensqualität und Eigentumsrechte der Anwohnerschaft darstellt.

Für den Fall der Ignorierung unserer berechtigten Forderungen sehen wir uns unumgänglich und ohne weitere Ankündigung gezwungen, alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel auszuschöpfen. 

Dies umfasst insbesondere die Erhebung von Anfechtungsklagen gegen die zu erwartende Baugenehmigung vor dem Verwaltungsgericht Berlin sowie die Geltendmachung amtshaftungsrechtlicher Ansprüche.

Die Förderung der Jugendkultur ist ein legitimes öffentliches Interesse, darf jedoch nicht in Verletzung der Rechte der langjährigen Anwohnerschaft und unter Missachtung der geltenden planungs- und immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen erfolgen.

Wir bitten um Ihre Unterstützung. Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüssen

Für die Nachbarschaftsinitiative „Werner Voss Damm“

Dr. Antje Hanke

Karin Lukoschus

Kazim Özdemir

Metin Çelik

Detlef Merkel