Serie: Initiativen im Kiez Neu-Tempelhof
„Viele Bewohner von Neu-Tempelhof denken, dass es in der Gartenstadt kaum Kriegsschäden gab, da Häuser originalgetreu wiederaufgebaut wurden und bauliche Veränderungen bisweilen erst auf den zweiten Blick erkennbar sind,“ erklärt Hanna Hagemann bei der Ausstellungseröffnung den zahlreich erscheinen Gästen aus dem Kiez Neu-Tempelhof. Der Zweite Weltkrieg hat jedoch auch in Neu-Tempelhof deutliche Spuren hinterlassen. Bei manchen Häusern blieben nur die Außenmauern stehen, die Dächer waren durch Luftminen abgedeckt, innen waren die Häuser vollständig ausgebrannt. Andere Gebäude waren komplett zerstört oder wurden nach dem Krieg abgerissen. Erst in den 1950er und 1960er Jahren wurden viele originalgetreu oder ähnlich wieder aufgebaut. Durch die Gegenüberstellung der Fotoaufnahmen von damals und heute wird für die Betrachter sichtbar, welches Ausmaß die kriegsbedingten Zerstörungen hatten, wie diese Schäden behoben wurden und sich das Viertel im Laufe der Jahre verändert hat.
Geschichte im Internet erforschen
Begleitend zu der Ausstellung hat der Stadtforscher Miklas Weber interessierten Nachbarn Hilfestellung gegeben, wie sie im Internet und in Archiven etwas über die Geschichte und die Vorbesitzer ihrer Häuser bzw. Wohnungen herausfinden können.
Die Geschichtswerkstatt Neu-Tempelhof ist aus der Planungsgruppe „100 Jahre Gartenstadt Neu-Tempelhof“ hervorgegangen und hat sich 2023 gegründet. Sie widmet sich der Erforschung und Darstellung von Neu-Tempelhof, vor allem der Gartenstadt. Ziel der Mitglieder ist es, die Entstehung und Entwicklung „ihrer“ Siedlung, das städtebauliche Konzept mit der besonderen Architektur des Ensembles sowie die Alltagsgeschichte der Menschen im Kiez zu dokumentieren. Sie erforschen Biografien von Menschen, die hier einmal gelebt haben, gerade im „Fliegerviertel“ ein spannendes Unterfangen, wie der Abgeordnete Frank Luhmann findet, der sich selbst sehr für die Geschichte seiner Heimat interessiert. Durch Interviews mit Zeitzeugen möchte die Geschichtswerkstatt persönliche Erinnerungen für die Nachwelt erhalten. Außerdem werden Nachlässe und private Unterlagen wie alte Bauzeichnungen und Kaufverträge sowie alte Fotos, Postkarten und Erinnerungsstücke gesammelt und digitalisiert.
Aus der ehrenamtlichen Arbeit resultieren Ausstellungen, Zeitzeugengesprächen, Lesungen, Vorträge, Werkstattgespräche und die Teilnahme an Kiezfesten. Gemeinsame Exkursionen und Führungen werden organisiert, Anträge für Stolpersteine und Gedenktafeln werden unterstützt.
Treffpunkt ist jeden 4. Mittwoch im Monat um 18 Uhr die Seniorenfreizeitstätte Mireille Mathieu, Boelckestr. 102, 12101 Berlin. Interessierte sind herzlich willkommen.




Ausstellungsplakat mit einprägsamem Beispiel. | Junges Paar auf den Spuren ihres Kiezes. |Stadtforscher Miklas Weber zeigt Wege des Wissens im Internet. | Hanna Hagemann begrüßt die Gäste der Ausstellung. Fotos: Jens Keller
Was ist eine Geschichtswerkstatt?
Die Geschichtswerkstatt Neu-Tempelhof ist seit 2024 eine Projektgruppe des eingetragenen Vereins Berliner Geschichtswerkstatt. Die 1981 gegründete Berliner Geschichtswerkstatt e. V. knüpft an die damalige Geschichtsbewegung in Skandinavien und Großbritannien an, die mit den Begriffen „Grabe, wo du stehst“ und „Geschichte von unten“ verbunden ist. Dabei sollen die Alltagsgeschichte und die Geschichte der „kleinen Leute“ im Mittelpunkt stehen. Wichtige Arbeitsbereiche sind die Geschichte des Nationalsozialismus in Berlin und der Widerstand dagegen. Der Verein betreibt Forschungen, gibt Publikationen heraus und organisiert Ausstellungen, Führungen und Veranstaltungen wie Werkstattgespräche und Buchvorstellungen zur Berliner Geschichte.