75 Jahre Ende der Luftbrücke
Als die Rosinenbomber Westberlin versorgten
Die Ereignisse haben ihn geprägt, den Vater von Frank Luhmann. Obwohl er bei Beginn der Luftbrücke ein Steppke war, gerade mal drei Jahre alt, hat er noch heute die kleinen Fallschirme vor Augen, die über West-Berlin niedergingen und den Kindern Süßigkeiten brachten. Manchmal landeten sie auch im Osten. Günter Luhmann lebte damals in Berlin-Mitte und weiß noch heute, wie sie als Kinder in den Ruinen spielten. Die Eltern hatten währenddessen mit dem Überleben zu tun, als der Nachwuchs durch das zerstörte Berlin streifte. Immer auf der Suche nach etwas Brauchbarem. Der kleine Günter hat keine Süßigkeiten ergattern können. Andere waren schneller. Geblieben ist ihm bis heute die Erinnerung, die Hintergründe kannte er damals nicht.
Am 24. Juni 1948, sperrten die Sowjets über Nacht nach Ankündigung die Zufahrtswege und die Stromtrassen nach West-Berlin, die Berlin Blockade begann und wurde erst am 12. Mai 1949 wieder aufgehoben. Die Sowjets wollten den Rückzug der Westalliierten aus Berlin erzwingen. Diese antworteten mit einer Luftbrücke, die sie nur nutzen konnten, weil es ein Abkommen über drei Luftkorridore aus dem November 1945 gab: 463 Tage lang fliegen die „Rosinenbomber“, versorgen über 2 Millionen Menschen in den drei Sektoren der Westalliierten. Die Berlinkrise wird zur Machtprobe zwischen den Weltmächten.
In der geteilten Stadt herrscht Propagandakrieg: Die „Rosinenbomber“ werden vom offiziellen Ost-Berlin neidisch verdammt. Von „Bluffbrücke“ ist die Rede, unter der Überschrift „Die Legende der Luftbrücke“ schreibt die „Berliner Zeitung“ im September 1948: „Gerade in diesen Tagen wird der Westberliner Bevölkerung wieder Gelegenheit geboten, ihre Lebensmittelkarten im Ostsektor anzumelden und somit teilzuhaben an der Versorgung mit Frischkartoffeln, Frischfleisch und Kohlen für den Hausbrand. Wer wollte da noch eitlen Schwätzern nachlaufen, die die Luftbrücke um jeden Preis als Zeichen der Sorge für die Berliner Bevölkerung hinstellen, obwohl ihre Unzulänglichkeit sich von Tag zu Tag deutlicher offenbart?“
Stalinplan statt Marshallplan
Auch Fakenews gab es damals schon: Im „Neuen Deutschland“ wird fabuliert, dass die Flugzeuge auf dem Rückweg „Möbel, Autos und sonstige wertvolle Einrichtungen“ mitnehmen, also West-Berlin ausplündern. Dabei werden die Tatsachen verkehrt: Es waren die Russen, die die letzten intakten Maschinen und Gerätschaften aus Ost-Berliner Betrieben demontierten und in ihre Heimat verbrachten. Aus dieser Zeit fehlen im Osten noch immer viele zweite Gleise der heutigen Bundesbahn.
Rosinenbomber, ein Stück Berlin
Der Berliner hat sich schon immer gerne Wortschöpfungen für seine Sehenswürdigkeiten ausgedacht. Vielleicht geht die Kreativität auf die vielen Menschen mit polnischen Wurzeln in der Stadt zurück, denn die polnische Sprache nimmt es weniger genau als die deutsche und lässt freies Assoziieren zu. Im Fall der Flugzeuge wurde dagegen etwas frei aus dem Amerikanischen übersetzt: „candy bomber“ geht auf den amerikanischen Piloten Gail Halvorsen zurück, der Süßigkeiten (Schokolade, Kaugummis) an selbstgebastelten Taschentuch-Fallschirmen vor der Landung in Tempelhof für die wartenden Kinder abwarf. Sein Vorbild machte Schule und wurde auch von seinem Vorgesetzten gutgeheißen. Insgesamt wurden rund 23 Tonnen Süßigkeiten über Berlin abgeworfen!